Protokoll meiner Jugend
Vorwort
Als ich im Jahre 1939 begann, in einem alten, nie benutzten Poesie- Album, meine ersten Tagebucheintragungen zu machen,
waren es wohl nicht nur der Ausbruch des Krieges mit Polen und die Jugendliebe zu dem Mädchen A. ,
die mich dazu bewegten; es war vielleicht auch eine unbestimmte Vorahnung auf gewaltige Ereignisse,
die manches in meinem weiteren Leben verändern könnten.
Bei meiner Einberufung zum Arbeitsdienst und dann zur Wehrmacht musste ich dieses Buch zu Hause lassen.
So schrieb ich dann meine Notizen in kleine Heftchen oder Taschenkalender,
die ich auch in den turbulentesten Kriegstagen immer bei mir hatte.
Leider ging mir an der Front davon einige verloren.
Nach meiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft machte ich nur noch wenige Eintragungen.
Durch die politischen Ereignisse nach dem Kriege schien es mir schließlich ratsam,
alle Aufzeichnungen in einem sicheren Versteck aufzubewahren,
denn manches darin hätte wohl kaum den Beifall der Machthaber in der damaligen Ostzone und späteren DDR gefunden.
Nach einem halben Jahrhundert habe ich nun diese Schriften hervorgeholt,
gesichtet und chronologisch zusammengestellt.
Bewusst habe ich dabei im Wortlaut nichts verändert, sondern so belassen ,
wie ich es als 17 jähriger bzw. 23 jähriger niederschrieb.
Ich glaube, so können Empfindungen und Denkweise eines jungen Menschen in jener Zeit am besten deutlich werden.
Nur wenige Notizen damals im Telegrammstil abgefasst habe ich erweitert.
Wenn nun manche Eintragungen banal oder belanglos erscheinen, so sollte man nicht darüber hinweglesen,
denn auch solches gehört zum Gesamtbild dieser Jugendjahre.
Aus der jugendlichen Marotte, sein kleines Leben in einem Buch festzuhalten,
entwickelte sich das Tagebuch eines einfachen Soldaten, der -ingutem Glauben seinem Vaterland zu dienen
in den Krieg zog.
Doch allmählich folgte Ernüchterung, Skepsis wurde wach, und schließlich blieb am Ende
nur die bittere Erkenntnis: Wir wurden missbraucht!
Das Tun und Handeln meiner Generation in jener Zeit ist oft bei den nachfolgenden Generationen
auf Unverständnis gestoßen.
Ich denke aber, dass solch ein Tagebuch, wenn es ohne Voreingenommenheit gelesen wird,
auch manches Vorurteil abbauen kann.
Sicher ist es schwer für einen Außenstehenden, sich in jene Zeit hineinzudenken und nachzuempfinden.
Doch der Ablauf meiner Jugendjahre, die identisch sind mit der Jugend vieler meiner Zeitgenossen
vom Schüler bis zu dem aus Gefangenschaft heimkehrenden Soldaten
dieser Ablauf im Zeitraffer eines Tagebuches erleichtert vielleicht dem Leser den Einblick
in eine unrühmlich, schlimme Zeit unserer Vergangenheit.
Im Oktober 1990 Albert Walther